22.000 Menschen demonstrieren gegen Sozial-Kürzungen
Zu der Demonstration aufgerufen hatte die Freie Wohlfahrtspflege NRW - gekommen waren mehr als viermal so viele Teilnehmer*innen wie erwartet. Die Wohlfahrtsverbände befürchten Schließungen von Kitas, Abbau von Gruppen und Einrichtungen des Offenen Ganztags, Reduzierung von sozialen Beratungsangeboten. Gekommen waren Erzieherinnen, Alltagshelfer oder Kita-Leiterinnen, Pflegekräfte, Schulsozialarbeiter, aber auch Eltern.
Start um "fünf vor zwölf"
Rund 5.000 Teilnehmer*innen waren zu der Kundgebung erwartet worden - und dann strömten die Menschen vor den Landtag. Die Polizei sprach später von 22.000 Demonstrierenden, die Veranstalter sogar von 25.000. Pünktlich ab "fünf vor zwölf" waren auch rund 30 Mitarbeitende des Mönchengladbacher Caritasverbandes dabei, um auf die dramatische Situation der sozialen Infrastruktur in NRW hinzuweisen und eine Verbesserung der Situation der sozialen Träger zu fordern. Durch die im Landes- und Bundeshaushalt 2024 geplanten Kürzungen ist die gesamte soziale Infrastruktur in NRW bedroht - so die Sorge der Freien Wohlfahrt.
Für die Landtagsfraktionen sprachen Verena Schäffer (Grüne), Jochen Ott (SPD), Thorsten Schick (CDU) und Marcel Hafke (FDP). Ihnen rief Caritas-Sprecher Frank J. Hensel auf der Bühne zu: "Das ist keine gesellschaftliche Auseinandersetzung, es ist eine politische Debatte. Die Gesellschaft steht hinter uns - und vor Ihnen! Machen Sie sich zu einem Teil der Lösung!"
Jetzt handeln - sonst ist bald nichts mehr zu retten
Auch in Bielefeld, Siegburg und Halle gingen soziale Organisationen auf die Straße, um auf ihre desaströse Lage aufmerksam zu machen, Samstag geht es weiter im Bergischen Städtedreieck. Der Hintergrund: Das Durchhaltevermögen der Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Träger von Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist zunehmend erschöpft. "Wir haben besseres zu tun, als zu demonstrieren - aber was sollen wir tun? Unzählige Briefe, Gespräche vor und hinter den Kulissen, doch all unsere Hilferufe verhallen. Es ist Zeit, der Politik klar zu machen: Das schleichende Sterben der sozialen Infrastruktur in NRW hat bereits begonnen. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, gibt es bald nichts mehr zu retten!", forderte Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW, bei der Kundgebung in Düsseldorf.
"Angebote von Kita über OGS bis hin zu Betreuungsvereinen, Beratungsstellen oder Pflege müssen reduziert oder geschlossen werden, Insolvenzen drohen und die Mitarbeitenden gehen auf dem Zahnfleisch. Es geht hier nicht um ‚Sozialklimbim‘. Es geht um Daseinsvorsorge! Und ihr als Politiker*innen seid verantwortlich dafür, dass wir dieses Netz an Daseinsvorsorge erhalten. Damit NRW seinen Ruf als das soziale Gewissen der Bundesrepublik nicht verliert!", so Woltering. Die Demonstration in Düsseldorf fand parallel zur Haushalts-Anhörung im Finanzausschuss statt. Auf der Kundgebungs-Bühne kamen Vertreter*innen aus der Praxis von OGS, Kita und Pflege ins Gespräch mit Vertreter*innen von CDU, Grünen, SPD und FDP und machten mehr als deutlich: NRW muss sozial bleiben! Und das geht nicht zum Nulltarif.
Lippenbekenntnisse helfen nicht
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW fordert politische Anerkennung und Unterstützung sozialer Einrichtungen, die über Lippenbekenntnisse hinausgehen. "Wer glaubt, man käme auch mit weniger aus, der kann mal die Bürger*innen in NRW fragen, was es bedeutet, wenn man keinen Kita-Platz findet, keinen Pflegeplatz für Eltern oder keine Ganztagsbetreuung für die Schulkinder. Was es bedeutet, wenn man als chronisch kranker Mensch oder Mensch mit Behinderung keinen Arbeits- oder Therapieplatz findet. Wenn man monatelang in einer Sammelunterkunft leben muss, keine Wohnung findet oder ein halbes Jahr auf eine Schuldnerberatung warten muss. Wir erwarten ein Bekenntnis zu Trägervielfalt, zu Wunsch- und Wahlrecht und zur Wertschätzung des haupt- und ehrenamtlichen Engagements in unseren Einrichtungen. Wir erwarten endlich spürbare Verbesserungen! Wenn euch die soziale Infrastruktur in NRW wichtig ist, dann lasst es euch etwas wert sein", so die Forderung der Freien Wohlfahrtspflege an die Politik.